Kinderwunschbehandlung
Der Wunsch nach einem Kind, nach Elternschaft und Familie ist für viele Menschen unabdingbar. Dennoch gibt es in Deutschland Millionen Frauen und Männer, die von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind. Verschiedenen Studien zufolge ist im Alter zwischen 20 und 50 Jahren jede/r Zehnte ungewollt kinderlos und es gibt mehr als eine Million Betroffene in Deutschland¹. Da ungewollte Kinderlosigkeit kein Thema am Rande der Gesellschaft ist, befasst sich die aktuelle Bundesregierung nun nach langem Drängen der Wissenschaft im aktuellen Koalitionsvertrag mit der Reform der Ausgestaltung der Reproduktionsmedizin in Deutschland². Es ist inzwischen zweifelsfrei belegt, dass ungewollte Kinderlosigkeit existenziell für die betroffenen Frauen und Männer ist. Das Leben im Spagat zwischen dem vergeblichen Warten auf ein erstes Kind und der kinderlosen Wirklichkeit führt nicht selten zu Trauer, Frustration und Schuldgefühlen, die sich zu intensiven emotionalen Krisen zuspitzen können¹.
Für die Erfüllung des Kinderwunsches mit Hilfe moderner Reproduktionsmedizin muss deshalb zwingend ein politischer Rahmen für die Unterstützung der Betroffenen geschaffen werden. Dank des medizinischen und technischen Fortschritts stehen heute verschiedene reproduktionsmedizinische Unterstützungsangebote zur Verfügung, um den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. Allerdings ist die Rechtslage in Deutschland diesbezüglich seit vielen Jahren unzureichend. Das Embryonenschutzgesetz stammt von 1990 und wird den reproduktionsmedizinischen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 30 Jahre in keiner Weise mehr gerecht. Im Koalitionsvertrag 2021 der aktuellen Bundesregierung sind diesbezüglich weitreichende gesetzliche Änderungen geplant, die ausdrücklich zu unterstützen sind. Um die politischen Absichten umzusetzen, bedarf es zusätzlich der Berücksichtigung folgender Aspekte:
Medizinisch indizierte Kinderwunschbehandlungen sowie solche für weibliche Paare mit realistischer Aussicht auf Erfolg sollten in angemessenem Umfang finanziert werden³.
Der elektive Single-Embryo Transfer sollte nach dem Vorbild Belgiens in den ersten zwei Versuchen als Standardverfahren implementiert werden³.
Die Eizellspende sollte unter Berücksichtigung des Wohls aller Beteiligten legalisiert werden. Im Zuge dessen sollte das Samenspenderegister um diese erweitert werden³.
Die Voraussetzungen, das Verfahren und die damit verbundenen Rechtsfolgen Rechtsfolgen einer Spende von zu Fortpflanzungszwecken erzeugten Embryonen, für die keine Verwendung mehr besteht, müssen umfänglich geregelt werden4.
Zudem sollte die Forschung an frühen Embryonen in vitro fest reglementiert und nach internationalen Standards erlaubt werden5.
Im Hinblick auf die Ausgestaltung wird die detaillierte Stellungnahme der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaft sowie das Memorandum der Bundesärztekammer unterstützt.
Autorin: Dr. Diethilde Ortius-Lechner
Quellen:
¹ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2021): Ungewollte Kinderlosigkeit 2020 Leiden – Hemmungen – Lösungen.
² Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FPD Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. 24.11.2021.
³ Leopoldina (2019): Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung
4 Bundesärztekammer (2020): Dreierregel, Eizellspende und Embryospende im Fokus – Memorandum für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes
5 Leopoldina (2021): Neubewertung des Schutzes von In-vitro-Embryonen in Deutschland