Wechseljahresbeschwerden waren gestern
Am besten nicht groß darüber reden, auf bessere Zeiten hoffen und warten: Frühere Frauengenerationen haben über Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen geschwiegen. Auch die Mütter der sogenannten „Babyboomerinnen“ noch, also jener Frauen, die heute in die Wechseljahre kommen. Denn sogar in den so aufgeklärten 60er Jahren war das Thema lange tabu. Erst in den späten 80ern setzten Frauenärzte die Hormonersatztherapie (HRT) zur effektiven Linderung der Symptome ein. Eine medizinische Errungenschaft, die unzähligen Frauen die hormonelle Umstellung erleichtert – die aber lange umstritten war.
Denn zu Beginn des neuen Jahrtausends warnte die WHI-Studie wegen eines erhöhten Brustkrebs- und Herzinfarktrisikos eindringlich vor der Hormonsubstitution. Zu Unrecht, wie sich jedoch erst etliche Jahre später herausstellte. Im Jahr 2016 schließlich gaben sogar die Studien-Autoren zu: Die Ergebnisse waren falsch interpretiert worden, tatsächlich übersteigt bei frühem Behandlungsbeginn der Nutzen der HRT mögliche Risiken. Diese späte Erkenntnis bestätigt auch eine Analyse von 19 Studien mit insgesamt rund 40.000 Teilnehmerinnen.1
Ein früher Einsatz bringt den größten Nutzen
Frauen mit Wechseljahresbeschwerden können daher heute viel leichteren Herzens über eine Hormontherapie entscheiden. Und da die „Babyboomerinnen“, anders als ihre Mütter, mit der Antibabypille als Verhütungsmittel aufgewachsen sind, gehen viele mit dem Thema Ersatzhormone ganz pragmatisch um. Von einer HRT profitieren sie vor allem dann, wenn sie frühzeitig eingesetzt wird. Nicht nur die typischen Symptome bessern sich, sondern auch verschiedenen Erkrankungen kann entgegengewirkt werden. So zeigt etwa eine Studie2 aus Dänemark, dass ein Therapiebeginn zwischen 45 und 58 Jahren das Risiko für Herzinfarkte deutlich senkt. Man weiß auch, dass eine Hormonersatztherapie das Risiko für Diabetes Typ 2 deutlich verringern oder die Entstehung hinauszögern kann.3 Zudem schützt die Hormonsubstitution auch die Knochen. Wird die HRT über längere Zeit angewandt, treten erwiesenermaßen seltener Brüche von Hüftgelenken und Wirbelkörpern auf.3
Körpereigene Hormone transdermal und individuell
Damit die Bilanz von Nutzen und Risiken in ein gutes Gleichgewicht kommt, sollte die Frau nicht älter als 60 Jahre sein oder die letzte Regelblutung vor der Hormontherapie nicht länger als zehn Jahre zurückliegen, empfiehlt die North American Menopause Society (NAMS).4 Frauen sollten sich deshalb also schon bei den ersten Anzeichen für die Wechseljahre, wie etwa eine unregelmäßige Regelblutung, an ihren Gynäkologen wenden. Er wird mit ihnen darüber reden, wie sie ihren Lebensstil so ändern können, dass die Wechseljahresbeschwerden gemildert werden. Beispielsweise durch Achtsamkeitsmeditationen, Yoga oder eine Ernährungsumstellung. Und er wird ihnen gegebenenfalls eine an die individuellen Bedürfnisse angepasste Hormonersatztherapie verordnen. Dabei setzen viele Gynäkologen auf eine Kombination von körpereigenem Östradiol, das über die Haut (transdermal) in den Körper gelangt. Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass so die Gefahr von Thrombose und Schlaganfall nicht ansteigt. Um bei vorhandener Gebärmutter Wucherungen an der Gebärmutterschleimhaut entgegenzuwirken, wird zudem ein Gestagen wie zum Beispiel natürliches Progesteron eingesetzt.
So funktioniert die Hormontherapie
Liegen belastende Wechseljahresbeschwerden vor, bespricht der Frauenarzt mit der Patientin, welche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Fällt die Entscheidung für eine Hormontherapie, verordnet er die geeignete Dosis und stimmt die Behandlungsdauer individuell mit der Patientin ab. Bei lokalen Beschwerden wie Scheidentrockenheit werden die Hormone als Scheidenzäpfchen oder Cremes eingesetzt. Ansonsten können sie als Pflaster, Tabletten, Sprays oder Gels verabreicht werden. Die transdermale weist im Vergleich zu Östrogenen, die oral eingenommen werden, meist das günstigere Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Frauen mit einer intakten Gebärmutter sollten zusätzlich Weichkapseln mit mikronisiertem Progesteron zu sich nehmen. Das verhindert etwa ein übermäßiges Wachstum der Gebärmutterschleimhaut.
Weitere Informationen unter www.hormontherapie-wechseljahre.de und www.progesteron.de
Quellen:
- Boardman HMP et al. Cochrane Database of Systematic Reviews 2015, DOI: 10.1002/14651858.CD002229.pub4.
- Schierbeck LL et al. BMJ 2012, 345:e6409 doi:10.1136/bmj.e6409
- www.aerztekammer hamburg.org/files/aerztekammer_hamburg/ueber_uns/ hamburger_aerzteblatt/archiv/haeb2018/0318_HAEB_WEB.pdf
- Scarabin PY, Climacteric. 2018, 21:4, 341-345, DOI: 10.1080/13697137.2018.1446931