Zur Sicherheit der Hormonersatztherapie (HRT)

Zur Sicherheit der Hormonersatztherapie (HRT)

Unter dem Titel „Körperidentische HRT mit transdermalem Estradiol und mikronisiertem Progesteron – die sicherste Wahl“ hat der Wiener Hormonspezialist Dr. Ewald Boschitsch, Ärztlicher Leiter und Vorstandsvorsitzender des Ambulatoriums KLIMAX, einen Überblick über die Studienlage zu der seit zwei Jahrzehnten zugelassenen Gel-Applikation von Estradiol als Webcast veröffentlicht. Ursprünglich war sein Vortrag im Rahmen eines Satellitensymposiums am 13. März auf dem diesjährigen Fortbildungskongress FOKO in Düsseldorf geplant gewesen, der aber aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt werden musste.

Dr. Ewald Boschitsch beschäftigt sich bereits seit Anfang der 1980-er Jahre mit der körperidentischen HRT mit transdermalem Estradiol und oralem, mikronisiertem Progesteron, nachdem Arbeiten französischer Forscher seine Aufmerksamkeit geweckt hatten. Mitte der 1980-er Jahre habe er die damals in Österreich noch nicht erhältlichen Präparate importiert, die bald darauf zur ersten Wahl bei der HRT geworden und es bis heute geblieben seien, berichtet Boschitsch zu Beginn seines Vortrags, in dem er sich vor allem mit dem Thema Sicherheit befasst.

Für das Risikoprofil einer HRT seien drei Faktoren entscheidend, so Dr. Boschitsch:

  1. Art der verwendeten Hormone (körperidentisch vs. bioidentisch)
  2. Verabreichungsweg (oral, transdermal)
  3. Beginn der Substitution (Window of opportunity)

Art der verwendeten Hormone

Eine HRT mit den gleichen Hormonen, die in den Ovarien produziert werden, also Estradiol (E2) und Progesteron (P4), könne Risiken vermeiden, die mit synthetischen Wirkstoffen assoziiert werden, führt Boschitsch anhand von Studien aus. Als körperidentische Hormone werden zugelassene Medikamente mit Evidenz für Wirksamkeit und Sicherheit bezeichnet, während unter dem Begriff „bioidentisch“ oft nicht-standardisierte Mixturen aus Östron, Östradiol und Östriol mit Progesteron (P4), Dehydroepiandrosteron (DHEA), Testosteron und Levothyroxin (T4) von speziellen Apotheken ohne Qualitätskontrolle vermarktet werden. In seinem Vortrag geht Dr. Boschitsch auch auf die Aussagen der WHI-Studien zu Nutzen und Risiken der Kombinations- und zur Monotherapie ein und betont, dass das Brustkrebsrisiko, anders als immer wieder in Medien behauptet, in diesen Studien gar nicht signifikant erhöht war. Weiter würden die damals untersuchten Präparate bereits seit langem nicht mehr verwendet und der wesentlich stärkere Einfluss vor allem der Adipositas, aber auch des Zigarettenrauchens auf das Brustkrebsrisiko sei in den Studien vernachlässigt worden. Nicht zu unterschätzen sei zudem der Einfluss des in dieser Studie geprüften Progesterons auf das Mammakarzinomrisiko. Insgesamt habe sich eine HRT mit Estradiol und mikronisiertem Progesteron bei Behandlungsbeginn als beste Strategie erwiesen, fasst Dr. Boschitsch zusammen.

Transdermale Administration im Vorteil

Wie wichtig für das Risikoprofil auch die Administrationsroute des Estradiols ist, zeigt Dr. Boschitsch anhand weiterer Studien. Insbesondere hinsichtlich des Thromboserisikos sei die transdermale Applikation der oralen Therapie grundsätzlich vorzuziehen. Vor allem Patientinnen mit Adipositas sollten in jedem Fall transdermal behandelt werden, aber auch für Patientinnen mit prothrombotischen Mutationen wie der Faktor-V-Leiden-Mutation ist das Risiko einer transdermalen HRT wesentlich geringer als mit einer oralen. Eine ähnliche Situation sei beim Schlaganfallrisiko gegeben. Dr. Boschitsch verweist auf eine Fallkontrollstudie, die über eine Datenbank der französischen Krankenversicherung mehr als 97 Prozent der französischen Bevölkerung einbezogen hatte. Dabei habe sich gezeigt, dass die mit der oralen Anwendung von Östrogenen assoziierten Risiken mit der transdermalen Anwendung vermieden werden können. Eine dänische Registerstudie habe zudem gezeigt, dass eine HRT mit transdermalem Estradiol das Herzinfarktrisiko der behandelten Frauen sogar signifikant senken könne.

Wann sollte die HRT starten?

Als „Window of Opportunity“ für die HRT gilt der Zeitraum innerhalb von zehn Jahren nach der Menopause bzw. vor dem 60. Lebensjahr. Innerhalb dieser Zeit überwiegen die Vorteile der HRT gegen die Risiken. In seinem Webcast präsentiert Dr. Boschitsch eine Untersuchung zu vaskulären Effekten einer frühen oder späten HRT. Danach funktioniert die kardiovaskuläre Protektion nur, wenn die HRT in den ersten sechs Jahren postmenopausal initiiert wird. Später verschwindet dieser Effekt.

Fazit

Das günstigste Risikoprofil zur Minimierung des Brustkrebs-, Thrombose-, Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos hat laut Dr. Boschitsch eine in der Peri- oder frühen Postmenopause begonnene HRT mit transdermalem Estradiol (E2) und natürlichem Progesteron (P4).

Quellen:

Webcast mit Dr. Ewald Boschitsch, Wien. Ab Montag, den 18.05.2020 online unter: hormonspezialisten.de

Im Webcast zitierte Literatur:

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  3. https://thebms.org.uk/publications/consensus-statements/bioidentical-hrt/
  4. http://www.pms.org.uk/professionals/hormones
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