Hormonersatztherapie (HRT) hat positive Effekte auf Lungenfunktion und reduziert Lungenkrebs- sowie COVID-19-Risiko

Hormonersatztherapie (HRT) hat positive Effekte auf Lungenfunktion und reduziert Lungenkrebs- sowie COVID-19-Risiko

Wann und wie lässt sich die Hormonersatztherapie (HRT) zur Primärprävention von Erkrankungen einsetzen? Mit dieser Frage befasste sich Prof. Dr. Petra Stute aus der Universitäts-Frauenklinik Bern auf einem virtuellen Symposium zur 25. Jahrestagung der Deutschen Menopause Gesellschaft e.V. Dabei präsentierte sie eine Übersicht der Datenlage u. a. zur Auswirkung der HRT auf die Koronare Herzkrankheit, Typ-2-Diabetes, Arthralgien, Rückenschmerzen, Demenzerkrankungen und auf das Gesamtüberleben. Aktuelle Daten zum Einfluss des Estrogens auf das Immunsystem, der sogar mit einem geringeren Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion und einen schweren Krankheitsverlauf verbunden ist, präsentierte Prof. Dr. Bettina Toth, Direktorin der Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Innsbruck.1,2,3 Ein weiterer, wenig bekannter Präventionseffekt der HRT zeigt sich an den Lungen: In den Wechseljahren lässt die Lungenfunktion der Frauen über den altersgemäßen Rückgang hinaus nach. Eine HRT kann dieser Entwicklung entgegenwirken und sogar das Risiko verringern, ein Lungenkarzinom (NSCLC) zu entwickeln. Eine aktuelle Studie zeigte unter HRT ein um 20 Prozent geringeres NSCLC-Risiko als in der Vergleichsgruppe.

Mit dem European Community Respiratory Health Survey (ECRHS) wurde aktuell ein lang vermuteter Zusammenhang zwischen Wechseljahren und Lungenfunktion nachgewiesen.4 In der longitudinalen Langzeit-Studie wurden regelmäßig Menstruations- und Hormonstatus, Lungenfunktionsparameter sowie weitere Gesundheitsdaten, wie Raucherstatus und BMI, von mehr als 1.400 Frauen aus 19 europäischen Zentren über durchschnittlich etwa 20 Jahre registriert. Dabei zeigte sich in der Perimenopause eine über den altersbedingten Rückgang hinausgehende Abnahme der mittleren forcierten Vitalkapazität (FVC) von 10,2 ml/Jahr, in der Postmenopause sogar von 12,5 ml/Jahr. Auch die Einsekundenkapazität (FEV1) sank in der Menopause um zusätzlich 3,8 ml/Jahr bzw. 5,2 ml/Jahr. Dass diese Effekte für die FVC deutlicher ausfielen als für die FEV1, weist auf eine restriktive Lungenfunktionsstörung hin. Damit zeigte das ECRHS erstmals in einem populationsbasierten Langzeitverlauf einen unabhängigen negativen Einfluss der hormonellen Veränderungen in der Perimenopause und postmenopausal auf die Lungenfunktion, der über den „normalen“ Alterungsprozess hinaus geht. Die auf die hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren zurückzuführende Verringerung der Lungenkapazität entsprach in der Studie etwa einer Lungenschädigung, wie sie durch das Rauchen von 20 Zigaretten pro Tag über zehn Jahre entsteht.

Mit Hormonersatztherapie Lungenfunktion erhalten

In einer Folgestudie des ECRHS wurde untersucht, ob eine Hormonersatztherapie (HRT) neben den typischen menopausalen Beschwerden auch die negativen pulmonalen Effekte reduzieren oder abwenden kann. Dafür verglichen die Autoren 275 Frauen aus dem ECRHS-Datensatz, die im Verlauf der Studie eine orale HRT erhalten hatten, mit 383 Frauen ohne HRT.5 Dabei zeigte sich, dass sich die Lungenfunktion der Frauen, die eine orale HRT für mindestens fünf Jahre erhalten hatten, langsamer verschlechterte als bei Frauen ohne HRT. Eine HRT über 6-10 Jahre führte zu einem signifikanten Erhalt von Lungenkapazität von durchschnittlich 5,6 ml/Jahr, bei mehr als 10 Jahren betrug der Wert sogar 8,9 ml/Jahr.

Weniger Lungenkarzinome mit HRT

In einer aktuellen Studie haben Forscher der Universität Stanford das Lungenkrebsrisiko unter HRT untersucht. Sie werteten Daten des „Prostate, Lung, Colorectral and Ovarian Cancer Screening Trial“ (PLCO) der Jahre 1993-2001 mit mehr als 75.000 Frauen zwischen 50 und 74 Jahren daraufhin aus, ob sie eine HRT nutzten und ob sie einen Lungenkrebs entwickelten. Für HRT-Patientinnen zeigte sich dabei ein hoch signifikant um 20 Prozent reduziertes Risiko für ein nicht kleinzelliges Lungenkarzinom (NSCLC) gegenüber Frauen, die noch nie eine HRT erhalten hatten (HR 0,80; 95% CI, 0,70-0,93; p=0,009).6

Fazit

  • Während der Peri- und Postmenopause der Frau verschlechtert sich deren Lungenfunktion zusätzlich zum „normalen“ Alterungsprozess – vermutlich aufgrund der Veränderung der Hormonspiegel.4
  • Unter einer oralen HRT nimmt die Lungenfunktion weniger ab als ohne HRT.5
  • Auch auf das Lungenkarzinom-Risiko haben weibliche Hormone einen signifikanten Einfluss: Frauen erkranken um 20 Prozent seltener an einem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), wenn sie eine HRT erhalten.6

Quellen:

  1. Mauvais-Jarvis F et al. Estradiol, Progesterone, Immunomodulation, and COVID-19 Outcomes. Endocrinology. 2020;161(9): bqaa127.
  2. Gebhard C et al. Impact of sex and gender on COVID-19 outcomes in Europe. Biol Sex Differ. 2020;11: 29.
  3. Ding T et al. Potential Influence of Menstrual Status and Sex Hormones on female SARS-CoV-2 Infection: A Cross-sectional Study from Multicentre in Wuhan, China. Clin Infect Dis. 2020;ciaa1022.
  4. Triebner K et al. Menopause is associated with accelerated lung function decline. Am J Respir Crit Care Med 2017; 195: 1058-65.
  5. Triebner K et al. Exogenous female sex steroids may reduce lung ageing after menopause: A 20-year follow-up study of a general population sample (ECRHS). Maturitas 2019; 120: 29-34.
  6. Titan AL et al. The influence of hormone replacement therapy on lung cancer incidence and mortality. J Thorac Cardiovasc Surg 2020; 159: 1546-56.